Minimalistische Fotografie

Die Fotografie hilft den Menschen zu sehen.

Berenice Abbott

Die Reduzierung auf das Wesentliche – Minimalistische Fotografie

Eine ganz besondere Art der Fotografie ist die Minimalistische Fotografie. Die Konzentration auf nur wenige Bildkomponenten erfolgt durch radikale Selektion der Bildinhalte durch den Fotografen. Die Reduktion auf das Wesentliche ist hier die Devise; der Fotograf entscheidet, was daraus interpretiert wird kommt vom Betrachter. Unsere heutige, moderne Welt mit einer Vielzahl von Eindrücken ruft förmlich dazu auf, etwas Ruhe ins Leben zu bringen und da ist die Minimalistische Fotografie eine wunderbare Methode, dies zu erreichen. Minimalistische Fotografien kennzeichnen sich meist durch die Ruhe, die diese Bilder ausstrahlen.

Auch wenn es manche Künstler der malenden Zunft vielleicht nicht so ganz wahrhaben wollen, diese besondere Kunstform kann ganz wunderbar mit der Kamera betrieben werden. Dabei gibt es keine Grenzen im Genre. Ob Portrait, Landschaft, Architektur oder anderes, in jedem Genre lässt es sich auch minimalistisch fotografieren. So gibt es z.B. auch einen ganz speziellen Fotowettbewerb, der den Minimalismus als fotografisches Thema aufruft.

Nutze die Dimensionen

Etwas technisiert beschrieben wird in der Minimalistischen Fotografie die Anzahl und der Umfang der gezeigten Dimensionen reuduziert. Das kann in folgenden Bereichen passieren:

  • Anzahl der Objekte – weniger ist mehr. Nicht zehn Luftballons, sondern einer, nicht hundert Vögel, sondern zwei. Ob Personen, Pflanzen, Wolken, Häuser, Fenster, was auch immer. Eine Minimalistische Fotografie weist eher weniger, als mehr Objekte auf. Im Idealfall gibt es nur noch ein Hauptmotiv im Bild. Ganz extrem kann es natürlich werden, wenn gar keine Motive mehr zu sehen sind, aber auch das wäre durchaus zulässig.
  • Anzahl der Farben – weniger ist mehr. Eine Minimalistische Fotografie kann sich durch eine geringe Anzahl von Farbstufen im Bild auszeichnen. Vielleicht hält man das Bild ganz in den Abstufungen einer Hauptfarbe, oder man reduziert ganz massiv, indem die Fotografie monochrom oder Schwarz-Weiß ausgearbeitet wird.
  • Geometrische Strukturen – weniger ist mehr. Geometrische Strukturen, wie Linien, Dreiecke, Quadrate, etc. können im Bild auftauchen. Je weniger unterschiedliche Strukturen zu finden sind – ganz grob gesagt – umso besser.
  • Negativer Raum im Bild. Negativer Raum – sprich Flächen im Bild auf denen gar nichts außer z.B. Farbe passiert – unterstützt den Minimalismus. Also lieber etwas mehr vom negativen Raum, als weniger.
Roland Seichter Fotografie - Minimalistische Fotografie - Ein Winterbaum vor blauem Himmel in einem Schneefeld

Ein typisches Beispiel einer Minimalistischen Fotografie:

  • Gerade mal ein Objekt – der Baum – im Bild
  • Einzige vorherrschende Farbe ist im Prinzip das Blau des Himmels
  • Es existieren nur ganz wenige geometrische Strukturen: die Schneefurchen, die linienförmig zum Baum laufen und der schnurgerade Horizont, wenn man diesen auch als geometrische Form betrachten will
  • Negativen Raum findet man in dem Bild reichlich: einerseits der absolut wolkenfreie blaue Himmel und andererseits die schneebedeckte weiße Fläche, die noch mehr im Vergleich zu einer grünen Wiese zu dem Thema „Negativer Raum“ beiträgt.

Auf Fototour

Roland Seichter Fotografie - Minimalistische Fotografie - Sehr abstrakte Fotografie einer Betonwand

Das Betoneck, gesehen 2018 auf Island

Diese Fotografie ist ein stark reduzierter Ausschnitt einer ansonsten sicherlich auch fotografisch ansprechenden Szenerie. Wenn man hier eine Landschaftsaufnahme machen würde, dann wäre eine atemberaubende Bucht mit einer Bergkette am anderen Ufer zu sehen sowie leichte weiße Wölkchen über den Berggipfeln vor dem dramatisch blauen Himmel, eine grüne Wiese und der Outdoor-Pool, in dem sich Isländer im warmen, von unterirdischen Quellen gespeistem Wasser räkeln.

Das war aber nicht die Idee! Das blaue Meerwasser und die grüne Wiese reichten, um diese Betonmauer mit der markanten Eckkonstruktion als Minimalismus abzurunden. 3 Farben, 2 Linen, 1 Objekt. Das war’s. Den Rest macht der Betrachter.

Also mach‘ dich auf die Socken, greif‘ dir die Kamera und gehe auf Fototour. Minimalistische Bilder springen einem förmlich ins Auge, wenn du dir die oben beschriebenen Prinzipien der Dimensionen verinnerlichst. Natürlich wird das eine gewisse Zeit dauern, bis sich dieses Denken bei dir etabliert hat, aber dann wirst auch du Freude an den minimalistischen Dingen in der Welt haben. Bis dorthin kannst du ja folgende Tipps beherzigen:

  • Schaue durch den Sucher. Wenn dich die Fülle der Eindrücke überwältigen, einfach die Kamera ans Auge halten und erstmal das anschauen, was am Ende auch auf Deinem Bild zu finden sein würde. Vielleicht zoomst du ja auch mal vor einer Hochhausfassade nur auf ein Fenster, oder einen kleinen Teil der Fassade. Das kann gleich einen ganz anderen Eindruck bringen.
  • Variiere die Perspektive. Wenn ein Objekt viel zu viel Drumherum hat und eine Minimalistische Fotografie so gar nicht möglich ist. Warum nicht mal die Position wechseln und einen Ausschnitt gegen den Himmel betrachten?
  • Berücksichtige die Komposition. Es gibt eigentlich nicht viele Kompositionsregeln in der Fotografie, die Drittel-Regel ist wohl eine der wichtigsten. Also überlege, ob das Hauptmotiv gemäß der Drittel-Regel ins Bild gesetzt werden sollte – oder auch nicht, weil auch die Nichtbeachtung einer Regel zulässig ist. Aber eine Überlegung ist das immer wert.
  • Was kann ich in der Nachbearbeitung machen. Behalte immer im Hinterkopf, was du später zuhause mit der Fotografie in deinem Bildbearbeitungsprogramm machen kannst. Vielleicht wirst du störende Elemente entfernen, Strukturen durch Überblendungen einfügen, Farben bearbeiten, oder ganz einfach auch den Auschnitt nochmal neu bearbeiten. Dein Ergebnis ist immer die Summe aus allem. Fotografie und Bearbeitung.

Minimalistische Fotografie zieht immer

Die Ergebnisse dieser fotografischen Aufgabe können sich durchaus sehen lassen, auch auf internationalen Fotowettbewerben konnte ich immer wieder mit Minimalistischer Fotografie punkten. So z.B. wurde meine Fotografie mit dem Titel „To The Light“ beim Print-Wettbewerb Lanterna Magica 2019 in Dänemark mit einem Chairman’s Choice hervorgehoben.

Roland Seichter Fotografie - Minimalistische Fotografie - Ein Dampfersteg am Ammersee führt in die Mitte des Bildes
Roland Seichter Fotografie – Minimalistische Fotografie – To The Light

Welche gestalterischen Elemente ich für diese Minimalistische Fotografie verwendet habe, kannst du dir bestimmt jetzt schon selber beantworten. Auf jeden Fall macht diese Art zu fotografieren jede Menge Spaß. Nicht nur der fotografische Prozess an sich ist dabei spannend, auch die Barbeitung und ganz besonders die Präsentation im Nachgang für den Betrachter ist eine ganz besondere Erfahrung. Natürlich findest du eine Auswahl meiner minimalistischen Fotografien im Shop. Die jetzt folgenden Fotografien sollen dir eine kleine Inspiration geben, aber auch zeigen, wie vielfältig die Reduzierung auf das Wesentliche sein kann.